Bei einem regnerischen Aktionstag in Wiesbaden zeigten wir gemeinsam mit anderen hessischen Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen die Hürden auf, welche Frauen durch die fehlende Umsetzung der Istanbul-Konvention erleben.
Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen fordern Umsetzung der Istanbul-Konvention
Am 19. Juni 2024 fand in Wiesbaden ein bedeutender Aktionstag statt, organisiert von den hessischen Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen . Die Veranstaltung auf dem Dern’schen Gelände in Wiesbaden brachte Aktivistinnen und Unterstützer zusammen, um auf die dringende Notwendigkeit der vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention aufmerksam zu machen.
Die Bedeutung der Istanbul-Konvention
Die Istanbul-Konvention, offiziell das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, ist ein umfassendes internationales Abkommen. Es zielt darauf ab, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und Opfer zu schützen. Deutschland hat die Konvention 2011 unterzeichnet und 2018 ratifiziert. Trotzdem bleibt die Umsetzung vieler Artikel hinter den Erwartungen zurück.
Der Aktionstag in Wiesbaden
Bei der Veranstaltung in Wiesbaden wurden die Forderungen der Frauenhäuser klar und eindringlich formuliert. Ein zentrales Element des Aktionstages war ein Rollenspiel, das die verschiedenen Hürden aufzeigte, vor denen gewaltbetroffene Frauen stehen. Hier sind einige der wichtigsten Punkte, die dabei thematisiert wurden:
- Finanzierung
Eine der größten Herausforderungen ist die unzureichende Finanzierung der Frauenhäuser und Beratungsstellen. Die Istanbul-Konvention fordert ausreichende finanzielle Mittel, doch in der Praxis fehlen oft die notwendigen Ressourcen.
- Umgangs- und Sorgerecht
Ein weiteres zentrales Thema war das Umgangs- und Sorgerecht. Häufig müssen Frauen, die vor einem gewalttätigen Partner fliehen, weiterhin den Kontakt zwischen ihrem Kind und dem Täter ermöglichen. Die Konvention fordert hier klare Schutzmechanismen, die in Deutschland oft unzureichend umgesetzt sind.
- Eigenständiger Aufenthalt von Migrantinnen
Migrantinnen sind häufig doppelt benachteiligt: Sie leiden unter Gewalt und haben zusätzlich Angst vor einem Verlust ihres Aufenthaltsstatus. Die Istanbul-Konvention betont das Recht auf einen eigenständigen Aufenthaltstitel für Migrantinnen, doch auch hier gibt es erhebliche Umsetzungslücken. Das Rollenspiel zeigte eine Frau, die trotz massiver Gewaltandrohungen zögerte, Hilfe zu suchen, weil sie ihren Aufenthaltsstatus gefährdet sah.
- Fortbildung von Verfahrensbeteiligten
Richter, Anwälte, Polizei und andere Verfahrensbeteiligte benötigen spezielle Schulungen, um die Dynamiken von Gewaltbeziehungen zu verstehen und adäquat reagieren zu können. Diese Forderung der Istanbul-Konvention wird oft vernachlässigt. Im Rollenspiel wurde ein Fall dargestellt, bei dem ein Richter aufgrund mangelnder Kenntnisse eine Entscheidung traf, die die Sicherheit der Betroffenen weiter gefährdete.
- Gefährdungsanalyse und Gefahrenmanagement
Die Analyse der Gefährdung ist ein wichtiger Bestandteil der Sicherheit von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern. Daher benötigt es ein Bundeseinheitliches Programm zur Gefährdungseinschätzung.
Ein starkes Zeichen setzen
Der Aktionstag in Wiesbaden war ein kraftvolles Zeichen der Solidarität und des Engagements. Die hessischen Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen fordern nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft auf, die Umsetzung der Istanbul-Konvention aktiv voranzutreiben. Die dargestellten Hürden und realen Schicksale sollen als Weckruf dienen, damit sich die Lebenssituation von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern nachhaltig verbessert.
Was muss geschehen?
Es braucht dringend mehr finanzielle Mittel, spezialisierte Schutz- und Unterstützungsangebote und eine umfassende Fortbildung aller Verfahrensbeteiligten. Die Politik ist aufgefordert, die notwendigen gesetzlichen und strukturellen Veränderungen vorzunehmen. Nur so kann die Istanbul-Konvention in ihrer vollen Bedeutung umgesetzt werden und wirkungsvollen Schutz für alle gewaltbetroffenen Frauen und ihre Kinder bieten.